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Alarmstufe Rot: Wie uns „Business unusual“ retten kann

Der menschliche Raubbau an der Natur hat dramatische Konsequenzen. Neben der Politik muss auch die Wirtschaft eine radikale Trendwende schaffen.

Der Befund war dramatisch, schaffte es aber dennoch nur sehr kurz ins öffentliche Bewusstsein. Durch das massive Eingreifen des Menschen in Ökosysteme werden ohne Gegenmaßnahmen bis zu eine Million Tier- und Pflanzenarten aussterben, warnte im Mai der UN-Bericht des Intergovernmental Panel on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES). Insbesondere die Klimakrise beschleunigt dieses beispiellose Zerstörungswerk und wird somit zur existenziellen Bedrohung, deren Ausmaß die Menschheit tagtäglich weiter befeuert: Wir nutzen Ressourcen schneller, als sie wiederhergestellt werden können. Landwirtschaftliche Expansion, Übernutzung von Wäldern und Meeren, Zersiedelung, massiver Boden- und Energieverbrauch, Bergbau und Umweltverschmutzung führen zum Verlust von Lebensräumen und Arten. Fazit: Die natürlichen Systeme unseres Planeten sind schon über dem Limit und alles, was wir lieben und zum Leben brauchen, ist bedroht. Ein alarmierender Weckruf, der sich nicht nur an Politik und Gesellschaft richtet, sondern auch direkt an alle Wirtschaftstreibenden. Ohne spürbare Trendwende wird die Natur so wie wir sie heute kennen, als Grundlage für unsere Lebensqualität, unseren Wohlstand und wirtschaftlichen Erfolg verloren gehen.

Der wahre Wert der Natur ist unbezahlbar

Die Auswirkungen der Wirtschaft auf die Natur sind bekannt, doch umgekehrt findet die existenzielle Abhängigkeit der Unternehmen von intakten Ökosystemen im Alltag viel zu wenig Beachtung. Dabei lässt sich der wirtschaftliche Nutzen der Natur einfach darstellen, denn Unternehmen profitieren von:

  • Ressourcennutzung für Nahrung, Mineralien und Baumaterialien.
  • Sicherstellung eines stetigen Flusses von Ökosystemdienstleistungen, wie Bestäubung von Nutzpflanzen, Wasserfiltration, Abfallabbau, Kohlenstoffbindung und Klimaregulierung.
  • Einem Lebensraum für eine gesunde und wohlhabende Gesellschaft, in der sie operativ tätig sein können.

So erbringen natürliche Systeme alljährlich Dienstleistungen für die Weltwirtschaft im Wert von schätzungsweise 125 Billionen Dollar pro Jahr – zwei Drittel mehr als das globale Bruttoinlandsprodukt. Des Weiteren können laut IPBES sogenannte „nature-based solutions“ zu 37 Prozent zur Einhaltung der 1,5 °C-Grenze des Pariser Klimaschutzabkommens beitragen und damit einige der gravierenden Folgen der Klimakrise verhindern. Die Abhängigkeiten von diesen Dienstleistungen machen Biodiversitätsverlust und Klimawandel zu den größten systemischen Gefahren für die Weltwirtschaft. Sie führen zu Risiken für das operative Geschäft, beeinträchtigen die Stabilität der Lieferkette, Planbarkeit und Widerstandsfähigkeit und bringen Haftungsrisiken mit sich, inklusive zahlreicher Markt- und Finanzrisiken. Dazu kommt: Bereits jetzt kosten uns Naturkatastrophen, die durch Störungen des Ökosystems und den Klimawandel verursacht werden, mehr als 300 Milliarden Dollar pro Jahr.

Zeit zu handeln

Um ernsthaft gegenzusteuern, müssen die herkömmlichen Wirtschafts- und Finanzsysteme grundlegend neu ausgerichtet werden. Vier Aspekte sind besonders wichtig:

  1. Wir müssen den immensen Wert der Natur und die Kosten ihrer Verschlechterung erkennen und sie systematisch in alle wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen einbeziehen. Dies umfasst auch die Einführung neuer Entwicklungsindikatoren, die über das BIP hinausgehen, sowie die tatsächliche Förderung von nachhaltiger Produktion und verantwortungsvollem Konsum für zirkuläre und regenerative Volkswirtschaften.
  2. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, die Weltwirtschaft so umzugestalten, dass sie langfristig integrativen Wohlstand im Einklang mit den weltweiten Nachhaltigkeitszielen (SDGs) liefert, anstatt nur das kurzfristige Einkommenswachstum zu maximieren und die soziale Ungleichheit zu verstärken.
  3. Wir müssen Geschäftsmodelle schaffen, die langfristig einen Mehrwert für die Gesellschaft bringen und die Corporate Governance so verbessern, dass sie die unternehmerische Verantwortung gegenüber Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern und Gemeinden sowie gegenüber Aktionären stärkt.
  4. Wir müssen finanzielle, politische und marktwirtschaftliche Anreize so umlenken, dass sie natürliche Systeme und Ökosystemdienstleistungen begünstigen und unsere Wirtschaft dabei unterstützen, das Versprechen der SDGs zu erfüllen – Wohlstand für alle auf einem gesunden Planeten.

Unternehmen am Zug

Selbstverständlich ist in erster Linie die Politik gefordert, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, aber auch die Wirtschaft muss sehr viel mehr tun als bisher und sollte auf „Business unusual“ im besten Sinne setzen.

Erstens können sich Unternehmen dazu verpflichten, Biodiversitätsverluste rückgängig zu machen und natürliche Systeme wiederherzustellen. Sie können insbesondere in den Lebensräumen, in denen sie produzieren, ganzheitliche Maßnahmen setzen und skalierbare Lösungen für die Reduktion des Ressourcenverbrauchs und Wiederherstellung der Natur entwickeln.

Zweitens sollten Unternehmen umweltbedingte Risiken umfassend bewerten, um auf diese rechtzeitig zu reagieren, und einen “no regrets”-Ansatz für die Natur verfolgen, bei dem die Auswirkungen und Abhängigkeiten von Naturkapital bewertet werden. Während sich wissenschaftlich fundierte Ziele für die Natur in der Entwicklung befinden, können Unternehmen bereits jetzt Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Einklang mit der Klimawissenschaft festlegen (Science Based Targets).

Und drittens können sich Unternehmen gemeinsam mit Naturschutzorganisationen wie dem WWF dafür einsetzen, einen “New Deal for Nature and People zu gestalten, der sinnvolle Investitionen in natürliche Systeme fördert und belohnt. Dafür gibt es im Jahr 2020 eine einmalige Chance. Denn bei der nächsten UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt (CBD) sind große Fortschritte notwendig, um Naturverlust und Artensterben zu stoppen.

Fazit: Nie zuvor hat die Wissenschaft die Folgen unseres Handelns so klar aufgezeigt. Daher sind auch Unternehmenszwecke neu zu definieren, um Wohlstand ohne einen ständig steigenden Ressourcenverbrauch zu schaffen. Neben der Politik muss dafür auch die Wirtschaft ihre globale Verantwortung deutlich stärker als bisher wahrnehmen. Denn das Ausmaß der Krise, mit der wir konfrontiert sind, erfordert einen schnellen globalen Wandel. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Handeln wir jetzt!

Science Based Targets machen Unternehmen zu Klimaschutz-Vorreitern

Unternehmerische Klimaziele, die im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen stehen

Zukunftsorientierte Unternehmen haben das Risiko des voranschreitenden Klimawandels erkannt: Immer mehr Wirtschaftstreibende setzen sich CO2 Ziele. Doch wie berechnet sich ein fairer Anteil, welchen ein Unternehmen leisten muss, um die globale Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen? Die Antwort darauf gibt die Science Based Targets Initiative. Damit werden unternehmerische Klimaziele entwickelt, die im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen stehen. Bereits über 500 Unternehmen haben sich weltweit angeschlossen und etablieren sich dadurch immer stärker zu einer treibenden Kraft in der weltweiten Dekarbonisierung.
 

Wirksamer Klima-Schutz

Science Based Targets (SBTs) bieten Unternehmen eine wissenschaftlich fundierte Methodik zur Entwicklung einer innovativen 1,5°C Klimastrategie. 2015 wurde die Initiative von CDP, UN Global Compact, World Resources Institute und dem WWF gegründet. Ziel ist es, Unternehmen dabei zu unterstützen, ihren Anteil am Klimaschutz zu berechnen und sich so eine rentable Unternehmenszukunft zu sichern. Mit branchenspezifischen Methoden, einem kostenlosen Berechnungstool, einem Handbuch und technischer Unterstützung ermöglichen SBTs eine praxisnahe Umsetzung.

Folgt ein Unternehmen dem SBT „Call to Action“ verpflichtet es sich innerhalb von zwei Jahren ein wissenschaftsbasiertes Ziel einzureichen. Die Berechnung der jeweiligen SBTs kann durch drei unterschiedliche Ansätze erfolgen, welche je nach individuellen Bedürfnissen ausgewählt werden. Nach einer Prüfung der eingereichten Ziele durch die Initiative wird dieses offiziell anerkannt. Der Entwicklungsprozess eines SBT-Zielpfads liefert dem Unternehmen wertvolle Impulse und verdeutlicht zentrale Handlungsfelder für ihre Nachhaltigkeitsstrategie.

Langfristige Wettbewerbsvorteile

Entscheidet sich ein Unternehmen für einen ambitionierten Klimaschutz bringt dies auch starke wirtschaftliche Vorteile mit sich. SBTs helfen langfristig Kosten zu reduzieren, Innovationen voranzutreiben und die Profitabilität zu steigern. Sie minimieren Klimarisiken für das Unternehmen und erhöhen das Vertrauen von Stakeholdern sowie Investoren. Diesen positiven Zusammenhang zwischen Klimaschutz und Geschäftsergebnis bestätigt eine Studie der Rating-Plattform CDP. Unternehmen mit veröffentlichten CO2 Reduktionszielen erwirtschaften innerhalb von 12 Monaten einen besseren Kapitalertrag als jene ohne. Weiters gaben in einer Umfrage 63% der befragten CEOs an, dass das Setzen von SBTs zu mehr Innovation im Unternehmen geführt hat.

Vorteile Science Based Targets, © by SBTi

Neuer Standard für immer mehr Unternehmen

Welche zentrale Rolle die Wirtschaft bei der Begrenzung des Klimawandels spielt, zeigt ein Blick auf die Zahlen: So entsprechen beispielsweise die direkten CO2 Emissionen der Unternehmen, die sich weltweit der SBT-Initiative angeschlossen haben, den gesamten Emissionen Deutschlands (884 Millionen Tonnen). Darüber hinaus werden unter bestimmten Bedingungen auch Scope-3 Emissionen bearbeitet. Belaufen sich diese auf mehr als 40 % des Gesamt-Footprints eines Unternehmens, werden ambitionierte Vorgaben zur weiteren Reduktion entlang der Wertschöpfungskette gesetzt. Dadurch können Potentiale nachhaltig ausgeschöpft werden.

Über 500 Unternehmen, wie z.B. Coca Cola, Procter & Gamble oder Sony haben sich der SBT-Initiative angeschlossen. Auch österreichische Wirtschaftstreibende sind bereits Teil. Darunter Verbund, Österreichische Post AG, Constantia Flexibles (Ziel bereits gesetzt), sowie Telekom Austria, Raiffeisen Bank International und Austria Glas Recycling (Ziel in Ausarbeitung).

Die Tragweite von 1,5° Grad

Klimaextreme, Wasserknappheit, Artensterben, Hunger, Armut, kriegerische Konflikte: Um die Risiken des Klimawandels zu minimieren ist eine Deckelung des Temperaturanstiegs bei 1,5°C unumgänglich. Dies zeigt auch der neue Bericht des Weltklimarats IPCC. So spitzen sich die Folgen des Klimawandels schon bei einem geringen Temperaturanstieg stärker zu als bisher erwartet.

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Auswirkungen globale Erwärmung © WWF

Bei einem Anstieg von 1,5°C würden etwa 700 Millionen Menschen regelmäßig extremen Hitzewellen ausgesetzt sein, bei einer Temperaturerhöhung von 2°C bereits zwei Milliarden Menschen. Ein Beispiel unter vielen, welches verdeutlicht, dass die strenge max. 1,5°C Paris-Ambition in den Mittelpunkt aller Anstrengungen gerückt werden muss. Für Unternehmen in Industriestaaten wie Österreich bedeutet dies insbesondere den Ausstieg aus fossilen Energien und eine starke Reduktion des Energieverbrauchs bis 2050. Die aktuellen Kriterien der SBT-Initiative entsprechen diesen Vorgaben und begleiten Unternehmen in eine 1,5°C Wirtschaft.

Was Unternehmen heute schon tun können

Die Weltengemeinschaft braucht weitgehende, wirksame Anstrengungen, welche über inkrementelle Emissionsreduktionen hinausgehen. Unternehmen zählen zu den größten Verursachern von Treibhausgasemissionen und sind damit auch ein entscheidender Teil der Lösung. Der WWF ermutigt Wirtschaftstreibende sich auf vielfältige Weise für Klimaschutz einzusetzen und sich der SBT-Initiative anzuschließen. Eine 1,5°C Wirtschaft ist möglich, setzen auch Sie die nächsten Schritte:

  1. Informieren Sie sich online über wissenschaftsbasierte Klimaziele und nutzen Sie die kostenlosen Webinare.
  2. Werden Sie Teil der SBT-Initiative und unterzeichnen Sie den Commitment Letter.
  3. Entwickeln Sie Ihre SBT-Ziele mit Hilfe der Ressourcen und Tools.
  4. Kommunizieren Sie Ihr Ziel und gewinnen Sie Partner entlang Ihrer Wertschöpfungskette.
  5. Vernetzen Sie sich mit anderen Klimavorreitern über Ihre Branchengrenzen hinaus. Auch das Netzwerk der WWF CLIMATE GROUP bietet Ihnen dafür die Möglichkeit.

Dieser Artikel wurde für respACT geschrieben und kann auch auf https://www.respact.at/site/de/news/artikel/article/7552.html gelesen werden.